Gret Haller
Rechte und Pflichten der Bürger
Referat anlässlich des 8. deutsch-französisch-schweizerischen Dreiländerkongresses zum Thema «Bürger sein am Oberrhein» , 10. / 11 .Oktober 2002 in Strassburg

Rechte und Pflichten der Bürger, Droits et devoirs des citoyens, heisst das Thema, das mir als Titel für mein Referat vorgegeben ist. Wenn ich dieses Thema in einen Zusammenhang bringe mit dem Gesamtthema des Dreiländerkongresses, so komme ich in Schwierigkeiten. «Bürger sein am Oberrhein» ist der Kongress in deutscher Sprache überschrieben. Da erwarte ich dann auf Französisch so etwas wie «Etre Citoyen dans l'espace du Rhin Supérieur» . Aber weit gefehlt: «Vivre ensemble ...» heisst es da im Programm, und überhaupt nichts von Citoyen. Was soll ich nun machen mit dem Thema meines Referates? Ueber die Rechte und Pflichten dieses Citoyen sollte ich ja sprechen, und nun muss ich feststellen, dass man für Frankreich und den französischsprachigen Teil der Schweiz genau diesen Citoyen aus dem Gesamtthema des Kongresses entfernt hat. Der französische Citoyen und der deutsche Bürger sind offensichtlich nicht ganz identisch. Dazu will ich nun kurz einen Ausflug in die Geschichte machen, und zwar zurück bis vor die Französische Revolution.

Auf die Französische Revolution geht in Europa die Erfindung des Nationalstaates zurück. Damals verband sich der republikanische Staat mit der Nation, es wurde die Staatsnation erfunden und daraus entwickelte sich der Nationalstaat, wie wir ihn heute noch kennen. Das Erstaunliche an der damaligen Entwicklung besteht darin, dass die Nation ursprünglich alles andere als eine poltische Erfindung war, sondern vielmehr eine rein kulturelle. Ich möchte nun kurz einzeln auf die beiden Partner eingehen, die damals ein Bündnis geschlossen haben, nämlich zuerst auf die Staatsform der «Republik» und nachher auf die «Nation» .

Zunächst also zur Republik. Die Aufklärung hatte im 18.Jahrhundert unter den Intellektuellen drei Vorstellungen verbreitet: Erstens die Idee der Individualität des Menschen, zweitens die Idee der Gleichheit und der selben Würde aller Menschen, und dies führte drittens notwendigerweise zu einem Denken in universellen Kategorien. Was die Staatslenkung anbelangt, schlugen sich diese Ideen nieder in der Forderung nach einer republikanischen Staatsform, in welcher die höchste Macht beim gesamten Volke liegen sollte, bestehend aus den freien und gleichen Bürgern. Diese republikanische Staatsform setzte sich in der französischen Revolution durch, allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass Freiheit und Gleichheit nur den Menschen männlichen Geschlechts zugestanden wurde. Dieser Fehler wurde jedoch später korrigiert.

Nun zum anderen Bündnispartner, zur Nation. Der Begriff der Nation existierte bereits bei den Römern, und im Lauf der Geschichte bezeichnete «Nation» in verschiedenen Gegenden ganz unterschiedliche Dinge. Für die hier interessierenden Zusammenhänge beginnt die entscheidende Entwicklung ebenfalls im 18.Jahrhundert, und zwar in der Romantik, welche auf die von ihr als «kalt» empfunden Aufklärung reagierte. Vor allem in zwei Punkten widersprach die Romantik der Aufklärung: Anstelle der Vernunft betonte sie die Emotion, und anstelle der universalen Betrachtungsweise betonte sie das Kleinräumige, das Besondere, die kulturelle Eigenart. Diese beiden Punkte hängen miteinander zusammen: Vernunft ist immer etwas universelles, während Emotionen nur für jene Personen die selben sind, die sich derselben Kultur zugehörig fühlen. In dem von der Romantik geprägten Begriff der Nation gibt es also anfänglich weder eine ethnische noch eine politische Interpretation, er wird lediglich kulturell definiert. So wie die Aufklärung die «Republik» hervorgebracht hat, nämlich eine besondere Staatsform, so hat die Romantik also die kulturell definierte «Nation» hervorgebracht, und diese letztere stellt im Prinzip eine Identität dar.

Wenn es in der französischen Revolution zu einem Bündnis zwischen diesen beiden so ungleichen Partnern kam, so deshalb, weil dem französischen Staat die Identität fehlte, nachdem man dem König abgesetzt hatte. «L'Etat c'est moi» , hatte der französische König ja gesagt. Die aufklärerischen Ideen waren zu abstrakt, um als Identifikation zu dienen. Dennoch musste wieder eine Identität gefunden werden, und diese entdeckte man schliesslich in der «nationalen» Identität. Oder anders gesagt: Die Nation diente dem republikanischen Gedanken gewissermassen als Gefäss, und zwar zur Ermöglichung einer Identität. Dazu musste dieses Gefäss jedoch umgebildet werden, und zwar von der Kulturnation zur Staatsnation. So wurde die französische Nation zur Trägerin und Verkünderin all der aufklärerischen und universell gültigen Ideale. In diesem Prozess wurden regionale oder sonstwie kleinräumige kulturelle Identitäten zurückgedrängt. Dies war nur deshalb möglich, weil eine durchaus auch kulturell verstandene Ersatzidentität angeboten wurde, nämlich jene auf der gesamtstaatlichen, also auf der «nationalen» Ebene. So hatte jedes Individuum Anteil an der «Grande Nation» . Mit anderen Worten hatte sich die politische Identität kulturell aufgeladen: Kultur war für die Franzosen künftig nicht nur die Werke der Kulturschaffenden, sondern auch die universell gültigen Errungenschaften der Aufklärung, Demokratie, Menschenrechte oder genereller gesagt der «Republikanismus» , so wie ihn die Französische Revolution geschaffen hatte. Das französische Filmschaffen ist durchaus eines der «Grande Nation» , und dessen Verteidigung gegen Hollywood ist auch ein Akt des republikanischen Stolzes. In Frankreich ist geschichtsbedingt die staatspolitische und die kulturelle Identität nach wie vor intensiver und emotionaler verbunden als in vielen anderen westeuropäischen Staaten.

In Deutschland verlief der Prozess umgekehrt. Die Kulturnation wandelte sich lange nicht in eine Staatsnation, denn einen deutschen Gesamtstaat gab es ja noch lange nicht. Kulturelle und politische Identität blieben noch lange getrennt. Die deutschen Intellektuellen übernahmen die philosophischen Vorstellungen der französischen Revolution, ohne sie zunächst in einen politischen Rahmen einbringen zu können oder einbringen zu wollen. So gerieten die aufklärerischen Ideale nicht in Widerspruch zu kleinräumgeren kulturellen Identitäten in den verschiedenen Fürstentümern und Kleinstaaten. Als der Nationalstaat dann schliesslich 100 Jahre später als in Frankreich auch in Deutschland geschaffen wurde, hielten diese kleinräumigeren kulturellen Identitäten dem deutschen Nationalstaat weiterhin stand, staatspolitische und kulturelle Identität blieben viel getrennter als in Frankreich.

Die Unterschiede in der Bedeutung der beiden Begriffe des deutschen Bürgers und des französischen Citoyen liegen also in der Identität begründet: Für den französischen Citoyen sind erstens staatspolitische und kulturelle Identität sehr verbunden und diese Identitäten sind zweitens praktisch ausschliesslich auf der gesamtstaatlichen Ebene angesiedelt, also eben auf der «nationalen» Ebene. Für den deutschen Bürger sind die staatspolitische und die kulturelle Identität viel weniger aneinander gebunden, und beide finden sich erst noch auf verschiedenen innerstaatlichen Ebenen. Man kann durchaus «Bürger sein am Oberrhein» . Aber «Citoyen dans l'espace du Rhin Supérieur» , das kann man deshalb nicht sein, weil man sonst das republikanische Gedankengut der Aufklärung in Frage stellen würde. Die schweizerische Identität passt sich in dieses Gesamtbild gut ein: Schweizerinnen und Schweizer kennen eine ausgeprägte politische Identität auch auf der Ebene der Kantone und sogar der Gemeinden und Städte. Diesbezüglich ist die Schweiz näher beim deutschen Muster. Daneben wurden in der Schweiz auch französische Denkmuster rezipiert, was sich in den französischsprachigen Kantonen durchaus bemerkbar macht. Dabei ist aber die staatspolitisch Mehrfachidentität auf verschiedenen Eben geradezu eine Bedingung für die Rezeption diese Identität nach französischem Muster, weil die französischsprachigen Schweizer ja deutlich in der Minderheit sind und diese Identität deshalb ein kantonales Phänomen darstellt.

Ich möchte mich nun vor diesem Hintergrund einer Identität zuwenden, für welche die oberrheinische Zusammenarbeit gleichsam ein Testfall ist, nämlich jener im gesamten Europa. Auf europäischer Ebene wird sich und soll sich nie eine nationale Identität entwickeln. Ein europäischer Nationalismus im Sinne des Patriotismus, wie wir ihn in den letzten Monaten ausgeprägt in den Vereinigten Staaten beobachten konnten, würde das Ende der europäischen Idee bedeuten. Nationale Gefühle im Sinne der kulturellen Beheimatung werden in Europa dort verankert bleiben, wo sie es bisher waren, nämlich auf der nationalstaatlichen Ebene oder in föderalistischen Staaten auch zusätzlich auf untergeordneten Ebenen. Auf gesamteuropäischer Ebene wird es deshalb nicht zu einem Bündnis zwischen «Republik» und «Nation» kommen wie vor 200 Jahren in Frankreich. Im Gegenteil, ich möchte sogar die umgekehrte These wagen: Ich glaube, dass das Bündnis zwischen «Republik» und «Nation» in Europa 200 Jahre nach seinem Entstehen langsam zu Ende geht. Ich glaube, was sich in Europa seit längerem abspielt, ist eine langsame Trennung zwischen der staatspolitischen und der nationalen Identität, wobei sich die nationale Identität wieder dahin zurückbewegt, woher sie einst gekommen ist, nämlich in den rein kulturellen Bereich.

Wie komme ich zu dieser These ? Was wir heute im Rahmen der Europäischen Union beobachten können, ist doch das langsame Entstehen einer staatspolitischen Identität, dies aber ohne einen emotionalen Rahmen der Nation. Das heisst, die staatspolitische Identität breitet sich nun auch nach oben auf eine überstaatliche Ebene aus, nachdem sie in föderalistischen Staaten auch schon unterhalb des Nationalstaates auf verschiedenen Ebenen existiert hat. Wenn sich die staatspolitische Identität vertikal auf mehrere alle Ebenen möglicher Staatlichkeit ausdehnt, muss sie sich langfristig gesehen von der kulturellen Identität ablösen. Andererseits erhält die kulturelle Identität gerade dadurch die Möglichkeit, sich auf der geografischen Karte – also gleichsam horizontal – auszubreiten und über gleichzeitig ganz unterschiedliche Anknüpfungspunkte zu verfügen. Das können herkunftsabhängige, frei gewählte oder durch die Lebensumstände bedingte Anknüpfungspunkte sein. Solche kulturellen Identitäten können nebeneinander bestehen und durchaus intensiv gelebt werden. Schon heute sind wir mit kulturellen Mehrfachidentitäten konfrontiert, zum Beispiel in jenen Fällen, in welchen es möglich war, Gruppen von Einwanderern zwar staatspolitisch zu integrieren, ohne aber eine kulturellen Integration zu verlangen. So spricht man zum Beispiel von den sogenannten «Frankfurter Türken» : Das sind Kinder türkischer Eltern, aufgewachsen in Deutschland, die sich staatspolitisch durchaus als Bewohner Frankfurts und Deutschlands empfinden, kulturell aber durchaus auch als Türken. Dies ist eine diametral andere Erscheinung als zum Beispiel der US-amerikanische Meltingpot, und sie könnte für Europa zum entscheidenden Ansatzpunkt im Umgang mit einwandernden Mensch werden. Dazu muss ich aber kurz etwas klarstellen: Staatspolitisch Identität ist nicht identisch mit der formellen Staatsbürgerschaft. Die formelle Staatsbürgerschaft trägt zwar zur staatspolitischen Identität bei, aber diese Identität geht weit über das formelle hinaus: Identität ist auch eine Frage der Emotion.

Hier sind nun auch noch die Fremdenfeindlichkeit, der Rassismus und der Nationalismus zu erwähnen, welche in Europa im Zunehmen begriffen sind. Diese drei Phänomene beruhen alle auf dem selben Denken, welches die Menschen einteilt in Zugehörige und Aussenseiter: «Wir und die Andern» heisst das Grundmotiv. Dieses Denkmuster tritt der staatspolitischen Identität mit genau den selben Elementen gegenüber wie im 18.Jahrhundert die Romantik der Aufklärung gegenübergetreten ist: Anstelle der Vernunft betont man die Emotion, und anstelle der universalen Betrachtungsweise betont man das Kleinräumige, das Besondere, die kulturelle Eigenart. Dies führt zu einer exklusiven romantischen Betrachtungsweise, denn der Andersartige wird ausgeschlossen, mit der Zeit auch gehasst, schliesslich vertrieben oder getötet – der schreckliche Begriff der «ethnischen Säuberung» bezeichnet den Vorgang in seiner ganzen Unsäglichkeit. Neben dieser exklusiv romantischen Betrachtungsweise gibt es aber auch eine Romantik, die ich hier als «inklusiv» bezeichnen möchte, und das Paradebeispiel dafür ist wiederum die französische Revolution: Das romantische Element, welches die staatspolitische Identität als «République» vor 200 Jahren zu Hilfe nahm, um Wirksamkeit entfalten zu können, nannte sich zwar und nennt sich immer noch «Nation» . Aber von den napoleonischen Kriegen bis heute war diese «Nation» praktisch nie Trägerin von Inhalten, welche ich eben als «exklusiv romantisch» bezeichnet habe. Von allem Anfang an stand die französische «Nation» im Zeichen von universalen und individualistischen Prinzipien, die ich als «inklusiv romantische» bezeichne. Wenn Frankreich nach der Revolution, beginnend mit den napoleonischen Kriegen, anderen europäischen Staaten oder kolonisierten Gebieten in die Quere kam, so lag Grossmachtstreben zugrunde, nicht aber Verklärung der Nation im Sinne ethnisch-romantischen Gemeinschaftsdenkens.

Dass sowohl der Begriff «Nation» als auch der Begriff «Staat» eben letztlich durchaus verschiedene Identitäten benennen können, zeigt ein Vergleich zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten: Hinter dem französische Ausdruck «Etat» steht immer die staatspolitische Identität, sie steht auch hinter dem Ausdruck «République» , aber sie steht sogar hinter dem Ausdruck «Nation» : Auch hinter «La Grand Nation» steht die stolze französische staatspolitische Identität, die das universellen Prinzip zum Tragen bringt und nicht etwa die Nation als romantischen Gemeinschaftsbegriff. Oder anders gesagt, auch «La Grande Nation» meint den Inhalt und nicht das Gefäss, welches vor 200 Jahren für diesen Inhalt gewählt worden ist. Wenn US-Amerikaner «nation» sagen, dann meinen sie ihre Nation. Wenn sie «country» sagen, meinen sie ebenfalls die Nation, und wenn sie einfach «America» sagen, meinen sie noch vielmehr die Nation. Weil US-Amerikaner eine staatspolitische Identität letztlich nicht kennen, sondern nur eine nationale, steht für sie aber – so erstaunlich das klingen mag – auch hinter dem Wort «State» letztlich eben eine nationale Identität und nicht eine staatspolitische. Dass diese nationale Identität auch starke religiöse Wurzeln hat, sei hier nur am Rande erwähnt. Es ist übrigens genau dieses religiöse Element, welches allen transatlantischen Unvereinbarkeiten in den Werthaltungen zugrunde liegt.

Zurück nun aber zu Europa: Inklusive Romantik kann aufklärerische Vernunft unterstützen, exklusive Romantik zerstört die aufklärerische Vernunft. Dies liegt daran, dass exklusive Romantik in Gruppenzugehörigkeiten denkt – Stichwort «Wir und die Andern» – , inklusive Romantik hingegen basiert auf emotionaler Verbundenheit mit allen Menschen in ihrer individuellen Unverwechselbarkeit. Zuwendung und das Mitgefühl mit jedem einzelnen dieser Menschen ist etwas durchaus emotionales und weist deshalb romantische Elemente auf, aber es handelt sich dabei um eine inklusive Romantik. Ich glaube heute, dass Europa sein aufklärerisches Erbe nur wird weiterführen können, wenn es auch künftig der Versöhnung von aufklärerischem und romantischem Gedankengut einen Stellenwert einräumt. Diese Versöhnung ist aber nur mit einer inklusiven Romantik möglich, wie sie Franreich aufgezeigt hat.

Für eine künftige europäische Identität zeichnet sich somit eine ungefähre Linie ab: Die staatspolitische Identität, die auch eine europäische sein kann, hat ihre Wurzeln stark in der französischen Tradition staatspolitischer Identität, mit ihrem starken Individualismus und Universalismus. Aber das deutsche Muster staatspolitischer Identität kommt insoweit zum Tragen, als es von allem Anfang an die Mehrstufigkeit im Sinne einer inneren Differenzierung beinhaltet hat. Genau diese Mehrstufigkeit der staatspolitischen Identität kann jener nach französischem Muster auf ihrem Weg der vertikalen Ausbreitung nach oben und nach unten behilflich sein. Es ermöglicht dem französischen Muster, erstens sein Zuviel an zentralistischen Elementen abzustreifen. Und zweitens ermöglicht es dem französischen Muster, ebenfalls den Weg zu finden zur langsamen Ablösung der staatspolitischen von der nationalen Identität. Aber – und dies ist entscheidend – dabei wird das tragfähige Amalgam zwischen Aufklärung und Romantik in seinem Kerngehalt nicht preisgegeben, welches Frankreich vor 200 Jahren erfunden hat. So gesehen geht die französische Revolution heute auf gesamteuropäischer Ebene durchaus weiter.

Und genau dieser Punkt meiner Ueberlegungen ist es nun, welcher mich zum Titel meines Referates führt: «Rechte und Pflichten des Bürgers» verweist auf die staatspolitische Identität des Individuums. Sie alle, die an diesem Kongress teilnehmen, sind in irgend einer Weise in der Oeffentlichkeit tätig, entweder direkt in öffentlicher Funktion, in Fachkommissionen, öffentlichen Verwaltungen, Exekutivbehörden oder Parlamenten, und dies auf Gemeindeebene oder auch regional. Oder – und dies ist die andere Seite – sie betätigen sich in lokalen Initiativen und Gruppierungen, in privaten Vereinen, Clubs oder sonstigen Zusammenschlüssen, und dies mit einer grossen Vielfalt von Zielsetzungen, gesellige, kulturelle, sportliche, politisch oder weniger politisch verstandene Ziele. Allen diesen Betätigungen ist etwas gemeinsam, nämlich das Selbstverständnis, welches in solchen Aktivitäten zum Ausdruck kommt. Auch jene unter Ihnen, welche in einer solchen privaten Vereinigung aktiv sind, verstehen sich letztlich auch als Staatsbürger, sie haben eine staatspolitische Identität. Solche Aktivitäten bilden keinen Widerspruch zu zu Ihren Rechten und Pflichten als Bürgerinnen und Bürger. Vor allem aber dienen solche Aktivitäten nicht dazu, ihre staatspolitische Identität zu ersetzen, sie fügen sich ein in eine Zusammenarbeit mit Behörden und öffentlichen Gremien.

Lassen sie mich zum Schluss ganz lapidar zusammenfassen: Freiheit ist in Europa nach wie vor untrennbar mit Staatlichkeit verbunden. Nicht nur garantiert diese Staatlichkeit die gleiche Freiheitsausübung durch alle Menschen, sondern es ist die Staatlichkeit auf den verschiedenen Ebenen, welche Europäerinnen und Europäern sogar ihre Freiheit an sich garantiert. Darüber hinaus aber basiert die europäische Friedensordnung vollumfänglich auf dieser Staatlichkeit, denn es sind die Staaten, welche die Friedensordnung geschlossen haben und aufrechterhalten. Wir sollten der Staatlichkeit in Europa Sorge tragen, wenn wir unsere Freiheit und den Frieden in Europa aufrechterhalten wollen. Und vor allem sollten wir auch der staatspolitischen Identität Sorge tragen, welche dem allem zugrundeliegt. Im Rahmen der Globalisierung, die bekanntlich sowohl Positives als auch Problematisches mit sich bringt, ist Europa zur Zeit Einflüssen vor allem von jenseits des Atlantiks ausgesetzt, welche die staatspolitische Identität nach europäischem Muster in Frage stellen. Ich halte es für äusserst wichtig, dass wir uns in Europa mit der Frage unserer staatspolitischen Identität auseinandersetzen. Deshalb hat dieser Kongress eine Bedeutung, die inhaltlich weit über die Region des Oberrheins hinausreicht.